Mobster O’Banion: Während er ihnen die Hand gab, pumpten sie ihn mit Kugeln voll - WELT (2024)

Kopf des Tages Tod von Mobster O’Banion

Von einem Blumenladen aus steuerte Charles Dean O’Banion den Alkoholschmuggel im Norden Chicagos. Als er nach Höherem strebte, verfielen die anderen Mobster-Familien auf einen Plan. Für eine opulente Beerdigung gaben sie 1924 eine Bestellung auf.

| Lesedauer: 4 Minuten

Von Florian Stark

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Für seine Nachbarn verdiente Charles Dean O’Banion (1892–1924) seinen Lebensunterhalt mit einem ehrbaren Gewerbe. In einem Laden in der North State Street 738 im Norden von Chicago verkaufte er Blumen. Das Geschäft florierte, denn die Kunden waren zahlreich und gut bei Kasse. Das hing mit ihren Unternehmungen zusammen, die allesamt mit dem organisierten Verbrechen zusammenhingen. Vorzeitige Todesfälle waren branchenüblich, und die überlebenden Gangster bestellten gern bei O’Banion die prachtvollen Gestecke für die Beerdigungen. Denn O’Banion hatte ein Händchen dafür.

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Das verdankte der Sohn eines irischen Einwanderers den Tätigkeiten, die er vom Hinterzimmer seines Ladens aus steuerte. Denn O’Banion war die Kopf der North Side Gang, die diese Gegend von Chicago als ihren Teil des Kuchens betrachtete, den die Prohibitionszeit dem organisierten Verbrechen beschert hatte. Schmuggel und Vertrieb von Alkohol versprachen märchenhafte Gewinne, die wiederum in diverse Unternehmen wie Brauereien (für Bier unter 0,5 Prozent Alkohol), Wäschereien oder eben Blumenläden investiert wurden.

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Bereits in der Schule interessierte sich der junge O’Banion mehr für die praktische Seite des Lebens als für den gebotenen Bildungsstoff. Das bedeutete in Chicagos „Little Hell“, dass man sich einer Jugendgang anschloss und mit wagemutigen Aktionen hoffte, die echten Mobster von ihrer Leistungsbereitschaft zu überzeugen. O’Banion hatte Glück. Nachdem er bei einer Mutprobe schwer verwundet worden war und seitdem ein Bein nachziehen musste, erkannte der bekannte Safeknacker Charles Reiser das Talent des Jungen und nahm ihn in seiner Gang auf.

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Als im Januar 1920 der 18. Zusatzartikel zur US-Verfassung in Kraft trat, der den Verkauf von Alkohol auf Bundesebene verbot, hatte sich O’Banion also eine gute Ausgangsbasis für seine weitere Karriere erarbeitet. Er nutzte sie und konnte sich im Norden Chicagos ein einträgliches Revier sichern. Die 15 Prozent, die ihm von den übrigen Gangs in diversen Geschäften zugebilligt wurden, dürften in etwa seinen Anteil am Gangster-Markt spiegeln.

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In dem jüdischen Mobster Nails Morton, der einen Teil der Chicagoer West-Side kontrollierte, fand O’Banion einen Freund und Partner, der ihm nicht nur beibrachte, wie man einen Smoking trug, sondern der es auch verstand, dessen exzessives Naturell zu bändigen. Nach Mortons Tod durch einen Pferdetritt im Mai 1923 ging O’Banion den übrigen Bossen zunehmend mit seiner Unberechenbarkeit auf die Nerven.

Das störte die Strategie, mit der Johnny Torrio das kriminelle Geschäft in Chicago zu ordnen suchte. Dem gebürtigen Italiener, der 1920 seinen Onkel Jim „Big Jim“ Colosimo ermordet hatte und damit zum mächtigsten Banden-Chef Chicagos aufgestiegen war, schwebte ein Kartell vor, in dem jede Familie ihren festen Anteil an Alkoholschmuggel, Glücksspiel und Prostitution erhalten sollte.

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O’Banions blutige Eskapaden, in denen er auch selbst gern zur Waffe griff, passten nicht so recht in diese Ordnung. Auch seine Pläne, sich als Lokalpolitiker weitere Einflussmöglichkeiten zu verschaffen, irritierte die Mobster-Szene. So sorgte er dafür, dass in seinem Bezirk republikanische Kandidaten als Stadträte gewählt wurden, die in Sachen Alkoholschmuggel liberale Ansichten vertraten.

Das mag erklären, warum sich Torrio gegenüber O’Banions Klagen taub stellte, als der sich über die offensiven Praktiken der Genna-Brüder beschwerte, die in den Norden expandierten. Also nahm die North Side Gang die Sache selbst in die Hand, was die übrigen Familien einmal mehr gegen sie aufbrachte. Als sich O’Banion schließlich der Bitte verweigerte, über gewisse geschäftliche Unregelmäßigkeiten der Gennas hinwegzusehen, nickten Torrio und sein Stellvertreter Al Capone dessen Ermordung ab.

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Als drei hochrangige Mobster am 10. November 1924 den Blumenladen in der North State Street betraten, ging O’Banion davon aus, dass sie lukrative Bestellungen für die Beerdigung eines gemeinsamen Bekannten aufgeben wollten, der wenige Tage zuvor im Krankenbett gestorben war. Aus diesem Grund streckte der Hausherr den Ankömmlingen auch seine Hand entgegen, die einer der mutmaßlichen Kunden gern ergriff – und nicht wieder losließ. Die Chance nutzten seine Begleiter und feuerten aus nächster Nähe sechs Schüsse auf O’Banion ab. So die wahrscheinlichste Version. Die polizeilichen Ermittlungen verliefen im Sande.

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O’Banions prunkvolles Begräbnis führte die Akteure zusammen, die bald darauf die Bandenkriege eröffnen sollten. Torrio überlebte das Attentat auf ihn und übergab daraufhin seine Position an Al Capone. Der löste die Konflikte auf seine Weise und stieg zum unbeschränkten Oberhaupt der Chicagoer Mobster auf.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich im November 2021 veröffentlicht.

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